Egg setzt auf Integration im Wasser
Mit Schwimmen sollen Asylsuchende aus dem Durchgangszentrum die hier vorherrschenden Regeln des Zusammenlebens kennenlernen. Daneben verfolgt die Gemeinde mit ihrem neuen Projekt auch präventive Gedanken.
Rund 1900 neue Asylsuchende mussten im Frühjahr 2016 im Zürcher Oberland untergebracht werden. Anders als in zahlreichen Gemeinden in der Region wurde die Aufnahmequote in Egg aber nicht erhöht. In der gut 8000 Einwohner zählenden Pfannenstielgemeinde betreibt der Kanton bereits ein Durchgangszentrum für Asylsuchende in der Ober Halden. Die Gemeinde Egg muss deshalb keine zusätzlichen Flüchtlinge aufnehmen.
Das Durchgangszentrum ist für die Asylsuchenden lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg in die Gemeinden, wo sie dann länger verbleiben. «Auch wenn die Asylsuchenden lediglich für einige Wochen oder Monate bei uns sind, so sind sie doch da. Wir haben für sie eine gewisse Verantwortung», sagt Roland Rüegg, der Egger Kinder- und Jugendbeauftragte. Gemeinsam mit Mitgliedern der Egger Jugendkommission hat er deshalb ein Projekt lanciert: In Egg soll es künftig einen unentgeltlichen Schwimmunterricht für Jugendliche aus dem Durchgangszentrum geben. Dieser soll jeweils am Mittwochabend im Lehrschwimmbecken des Schulhauses Zentrum stattfinden.
Helfer mit Fremdsprachenkenntnissen
Die Leiter des Durchgangszentrums, die zur Firma ORS Service AG gehören, waren mit dem Vorhaben einverstanden. In den Schwimmunterricht sind sie aber nicht involviert. Vielmehr sollen eine diplomierte Schwimminstruktorin und ein weiterer Schwimmlehrer die Asylsuchenden im Alter zwischen 15 und 30 Jahren betreuen. Beide werden für ihren Einsatz im Stundenlohn bezahlt. Daneben sind noch ehrenamtliche Helfer beteiligt. Einer von ihnen spricht Arabisch und Französisch und wird deshalb vor allem bei der Betreuung muslimischer Teilnehmer eine wichtige Rolle spielen.
Die Trägerschaft übernimmt die Gemeinde Egg, die ein jährliches Kostendach in Höhe von 5000 Franken als Zusatzkredit zum Budget 2017 gesprochen hat. Dabei handelt es sich gemäss Gemeindeschreiber Tobias Zerobin um eine Defizitgarantie. Für den entsprechenden Betrag sollen nämlich so weit wie möglich Sponsoren aufkommen. Bereits hat die Reformierte Kirche Egg einen Betrag in Höhe von 1400 Franken gesprochen.
Für Gefahren sensibilisieren
«Das Schwimmen tatsächlich erlernen werden wohl nur wenige Teilnehmer», sagt Roland Rüegg. Grund dafür sei die Tatsache, dass die Bewohner des Durchgangszentrums nur für kurze Zeit in Egg seien und voraussichtlich nur an einigen wenigen Schwimmstunden teilnehmen könnten. Im Vordergrund stehe der Gedanke, den Asylsuchenden eine Beschäftigung und somit eine minimale Alltagsstruktur zu geben.
Dass man sich für einen Schwimmunterricht und nicht etwa für Fussball oder eine andere Beschäftigung entschieden habe, sei allerdings nicht zufällig: «Schwimmunterricht eignet sich gut dafür, den Asylsuchenden einige Regeln und Wertvorstellungen zu vermitteln. Vorstellungen, die uns Ortsansässigen wichtig, für Angehörige anderer Kulturen aber oft nicht selbstverständlich sind», sagt Rüegg. Als Beispiel nennt er das Duschen vor dem Gang ins Schwimmbecken oder die Tatsache, dass die meisten hiesigen Badeanstalten geschlechtergemischt sind.
Hinzu kommt der Präventionsgedanke: «Viele Menschen aus anderen Kulturen haben keine Erfahrung mit dem Element Wasser, was regelmässig zu tödlichen Unfällen führt», heisst es explizit in den schriftlichen Ausführungen des Gemeinderatsbeschlusses zum Projekt. Und Rüegg sagt: «Auch wenn bei uns wohl die wenigsten richtig schwimmen lernen, findet doch eine erste Angewöhnung statt, und die Teilnehmer werden für mögliche Gefahren sensibilisiert.»
«Egger Modell» bald Vorbild?
Das Projekt soll vorerst auf drei Jahre beschränkt werden und wird laut Rüegg voraussichtlich im Februar beginnen. Wie die Bewohner des Durchgangszentrums auf das Angebot reagieren werden, könnten sie nicht abschätzen, sagen Rüegg und Zerobin. Es wurde gemäss ORS-Service-AG-Mediensprecherin Simona Gambini noch nicht im Durchgangszentrum kommuniziert.
In Winterthur zumindest hat man mit einem ähnlichen Projekt positive Erfahrungen gemacht. Dort war es allerdings nicht die Gemeinde, sondern ein privater Verein, der die Trägerschaft für einen Schwimmunterricht für Asylsuchende übernahm. «Das Ganze war ein grosser Erfolg, rund 30 Asylsuchende lernten so die Grundlagen des Schwimmens und hatten viel Freude», sagt die Projektverantwortliche Heidi Triet. Aus finanziellen Gründen sei dieses Projekt allerdings mittlerweile eingestellt worden. Triet blickt deshalb gespannt auf das Zürcher Oberland und erhofft sich, dass das «Egger Modell» auch in Winterthur und andernorts Schule macht.