Grüner Ustertag 2019 - Meret Schneider zum Thema Artenvielfalt
Renommierte Wissenschaftler aus aller Welt wiederholt und eindringlich, dass der Rückgang der Biodiversität global und auch in der Schweiz ein bedrohliches Ausmass angenommen hat und sich rasant beschleunigt - er schreitet schneller Voran, als bisher je angenommen. Der Verlust der Biodiversität ist vermutlich die Katastrophe in der Geschichte der Menschheit, die zwar am besten untersucht und dokumentiert - aber auch am sträflichsten vernachlässigt wird. Der Weltbiodiversitätsbericht, der im Mai 2019 erschien, zeigt dramatisch, wie sehr der Verlust vieler Arten voranschreitet und dies immer schneller. Wenn wir dem nicht sofort Einhalt gebieten, wird das System kippen und die Folgen davon sind nicht absehbar aber in jedem Fall, so die Wissenschaftler, katastrophal.
Nun ja, mag man denken, global ist das sicher dramatisch, aber hier in der Schweiz haben wir eine intakte Natur, saubere Gewässer, viel Grünraum und Wald. Wir haben gar nicht so viel Potenzial, das wir ausschöpfen können. Unzählige Male habe ich diese Argumentation auf der Strasse gehört und sie ist weit gefehlt: Laut Bundesamt für Umwelt sind nur noch 0.2% der Flächen unterhalb von 500 Metern naturnah und in keinem, ja in keinem anderen Land der Welt ist der Anteil bedrohter Arten so hoch wie in der Schweiz. 39% aller Vogelarten sind auf der roten Liste und vom Aussterben bedroht - das ist dreimal so viel wie im globalen Durchschnitt. Der ungenügende Zustand der Biodiversität in der Schweiz betrifft alle drei Ebenen: die Lebensräume, die Artenvielfalt und die so wichtige genetische Vielfalt in der Schweiz. Gerade letztere ist von immanenter Bedeutung für die Anpassung der Arten an den Klimawandel. Geht die Vielfalt des genetischen Pools zurück und dominieren einige wenige Arten und Ausprägungen von Arten, fällt die evolutionäre Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen schwer, da weniger Mutationen möglich sind. Der sonst so flexible und evolutionär sinnvolle Mechanismus, der vielen Arten in der Vergangenheit dazu verholfen hat, sich anzupassen und weiterzuentwickeln, wird ausgehebelt.
Auch beim Bundesamt für Umwelt ist zu lesen, dass 35% aller in der Schweiz vorkommender Arten - und das sind immerhin mind. 45’000 - bedroht sind. Je kleiner und fragmentierter das besiedelte Gebiet ist (ich sage nur Zersiedelung!) und je rascher der Bestand zurückgeht, desto höher ist die Gefährdungsstufe. Die Forderung der Bundesverfassung, Tier- und Pflanzenarten vor der Ausrottung zu bewahren, ist nicht erfüllt. Auch das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz wird ungenügend umgesetzt. Es bezweckt die Erhaltung der Vielfalt einheimischer Arten und ihrer natürlichen Lebensräume. Und dies, obwohl alle Informationen auf dem Tisch liegen. Sogar das Bundesamt selber schreibt folgende Zeilen:
Die Kantone und die Sektoralpolitiken sollten besonders aktiv werden, um ihren Fortbestand zu sichern (auf Artpopulationen ausgerichtete Artenförderungsprogramme).
Es braucht uns hier und es braucht euch alle, gerade auch für politische Entscheide und richtungsweisende Abstimmungen! Ja, die Bewahrung einer intakten Umwelt kostet Geld - sie kostet uns jetzt Geld, damit die Konsequenzen des Biodiversitätsverlustes nicht später horrende Summen verschlingen werden - 500 Milliarden, wird aktuell geschätzt. Wer bestäubt Obstbäume, wenn die Bienen und Insekten aussterben (und das ist ein Prozess, der bereits geschieht)? Wer zersetzt Blätter und Bioabfall, wenn die Bodenlebewesen zurückgehen? Was fressen die Vögel, wenn das Insektensterben weitergeht? Die Konsequenzen machen deutlich, dass wir jetzt investieren müssen - jetzt oder nie.