, ZO/AvU, Andres Eberhard

Die Wähler als Personalfachleute

Am 8. März findet in mehreren Gemeinden der Region eine Kampfwahl um das Amt des Friedensrichters statt. Die Wähler haben es nicht leicht, denn für den gut bezahlten Job gibt es keine greifbaren Anforderungen.

Stellen Sie sich vor, wir hätten einen Job als Vermittler für Sie. Es ist egal, was Sie bis jetzt mit Ihrem Leben gemacht haben, denn Sie brauchen für die Arbeit keine spezifische Ausbildung. Alles, was Sie mitbringen müssen, sind Lebenserfahrung, Empathie sowie die Fähigkeit zuzuhören. Wenn Sie 100 Prozent arbeiten, bezahlen wir Ihnen dafür etwa 130'000 Franken pro Jahr. Würden Sie sich für diese Stelle bewerben?

Bevor Sie nun panisch Ihre Unterlagen zusammensuchen: Die Bewerbungsfrist ist bereits abgelaufen. Der Stellenbeschrieb ist aber kein Hirngespinst, sondern passt – etwas zugespitzt – ziemlich genau zum Behördenamt Friedensrichter.

Oftmals lange im Amt

Alle sechs Jahre wird das Amt neu ausgeschrieben – dieses Jahr ist es wieder so weit. Meistens sitzt der Amtsinhaber sehr lange auf dem Posten, darum bleibt vielerorts alles beim Alten. In mehreren Gemeinden der Region finden am 8. März jedoch veritable Kampfwahlen mit mehreren Kandidaten statt: in Uster, Egg, Wangen-Brüttisellen und Fällanden sowie in Hinwil und in Russikon. In Bäretswil wird am 12. April gewählt.

Am lukrativsten ist der Job in Uster, denn hier ist der Friedensrichter ein Vollzeitamt. Amtsinhaber Paul Latzer tritt ab, für seine Nachfolge haben sich vier Kandidaten beworben. Das Pensum beträgt 60 bis 80 Prozent, zudem sind weitere 20 bis 40 Prozent für ein Sekretariat vorgesehen, das der Friedensrichter aber auch selbst übernehmen kann.

Die Stelle befindet sich in der Lohnklasse 19. Der Friedensrichter verdient damit zwischen 91'000 und 140'000 Franken pro Jahr. Wie hoch der Lohn genau ist, wird nach der Wahl verhandelt.

Spielraum für Gemeinden

Wie die Gemeinden ihre Friedensrichter bezahlen, ist ihnen überlassen. Es gibt hierfür lediglich eine Empfehlung des kantonalen Verbands der Friedensrichter. Dieser schlägt einen Jahreslohn von 124'000 bis 152'000 Franken vor, was vergleichbar ist mit dem Gehalt eines (allerdings hierfür ausgebildeten) Gerichtsschreibers.

Daran orientiert sich nicht nur die Stadt Uster, sondern auch die kleineren Gemeinden aus dem Bezirk Uster, wo eine Kampfwahl stattfindet. In Egg verdient der Friedensrichter in derselben Lohnklasse 19 für ein Pensum von 20 Prozent etwa 26'000 Franken im Jahr. In Wangen- Brüttisellen sind es für etwa 30 Prozent derzeit rund 40'000 Franken jährlich – wobei der Lohn allenfalls nach unten angepasst werden müsse, da der Aufwand geringer sei als angenommen, heisst es auf Anfrage.

In Fällanden redet man nicht gerne über Geld, sondern verweist auf die Jahresrechnung, wo ein Betrag um die 50'000 Franken eingesetzt ist. Hinwil wiederum, wo ebenfalls eine Kampfwahl stattfindet, bezahlt für 20 bis 40 Stellenprozente 25'000 Franken jährlich.

Unterschiede gibt es bei kleineren Gemeinden. Diese bezahlen die Friedensrichter häufig pro Fall: so etwa Russikon (600 Franken bei etwa 20 Fällen im Jahr) oder Bäretswil (334 Franken; mindestens 4'000 Franken im Jahr; plus Spesenpauschale).

«Lukrativer Nebenverdienst»

Dass der vielerorts hohe Lohn der Grund für das Interesse an der Stelle ist, gibt keiner der angefragten Kandidaten zu. Einzig Evelyn Meier-Eichenberger aus Russikon verblüfft mit der Aussage: «Ich mache es nur wegen des Geldes.» Doch meint sie es ironisch. Sie lacht und fügt an: «Mit Aufstocken im Beruf würde ich mehr verdienen.» Meier- Eichenberger arbeitet Teilzeit als Anwältin.

Nicht alle können ein so schlagkräftiges Dementi aufweisen. Einige verweisen auf andere Gründe für die Kandidatur. So möchte Meier-Eichenbergers Kontrahent in Russikon, Reto Zarotti, in seiner langjährigen Heimat etwas «Sinnstiftendes tun». Andere sprechen nur anonym von einem «sicherlich lukrativen Nebenverdienst», wie die Kandidatin aus einer kleineren Gemeinde. Wieder andere sagen, sie wüssten gar nicht Bescheid, wie hoch der Lohn effektiv sei: so zum Beispiel Ruth Gsell, die für das Amt in Uster kandidiert. «Das ist auch nicht relevant für mich.»

Verpolitisierung festgestellt

Auffallend ist, dass in manchen Gemeinden (zum Beispiel Hinwil) nur Parteilose zur Wahl stehen, während in anderen (zum Beispiel Uster) die Mehrheit der Kandidaten von Parteien portiert wird. Urs Wicki, Friedensrichter in Dübendorf und Präsident des kantonalen Verbands, beobachtet in der Wahl zum Friedensrichter in den letzten Jahren im ganzen Kanton eine «Verpolitisierung».

Politische Kandidaten für ein an sich unpolitisches Amt – das kann man als Vor- und als Nachteil deuten. So sieht Markus Ehrensperger aus Uster seine Zugehörigkeit zur SVP als Stärke, weil er von seiner Partei schon «vorausgewählt» worden sei und sich diese auch für effiziente Behörden einsetze. Parteilose Kandidaten wiederum betrachten die Parteizugehörigkeit als Schwäche – weil diese die richterliche Unabhängigkeit gefährde.

Überhaupt lässt sich der eingangs erwähnte, schwammige Stellenbeschrieb nach Belieben biegen, damit er zu den eigenen Stärken passt. Anwälte erzählen von ihren Titeln und Patenten, Verwaltungsangestellte vom richtigen Ton am Schalter, Piloten von ihrer Vertrauenswürdigkeit und Polizisten von Schlägereien, bei denen sie dazwischengegangen seien.

Verband sorgt für Ausbildung

Dass dennoch fähige Leute gewählt werden, deutet Urs Wicki an. Rund 70 Prozent der 145 Friedensrichter im Kanton Zürich würden über eine tertiäre Ausbildung verfügen. Er verweist zudem darauf, dass die Friedensrichter im Kanton rund zwei Drittel aller Fälle vorzeitig lösen. «Die Erfolgsquote ist sprunghaft angestiegen, seit die Friedensrichter mehr Kompetenzen haben.» Schliesslich würde der kantonale Verband auch dafür sorgen, dass die Friedensrichter ausgebildet werden. Nach der Wahl finden acht Ausbildungstage statt – die Teilnahme ist freiwillig.


 

Schlichten statt richten

Fast jeder Zivilprozess in der Schweiz beginnt mit einem Schlichtungsverfahren. Der Friedensrichter versucht, die Parteien zu versöhnen, ehe der Fall vor Gericht kommt. Bis zu einem Streitwert von 2'000 Franken kann der Friedensrichter ein Urteil erlassen, bis 5'000 Franken kann er den Parteien einen Urteilsvorschlag unterbreiten.

Damit entlasten die Friedensrichter die Gerichte erheblich: So lösen sie im Kanton Zürich rund zwei Drittel aller Fälle. Bezahlt werden die Friedensrichter zwar von den Gemeinden, die Aufsicht unterliegt jedoch den Gerichten. Die Friedensrichter haben mit der Einführung einer Schweizer Zivilprozessordnung im Jahr 2011 mehr Kompetenzen erhalten. So fällten sie früher im Kanton Zürich etwa Urteile lediglich bis zu einem Streitwert von 500 Franken.