, ZO/AvU, Lea Müller

Ein Stück Sozialgeschichte geht zu Ende

Das lange Hin und Her um die Liegenschaft Ober Halden in Hinteregg hat ein Ende. Die Gemeinde Egg hat sich entschieden, das Grundstück zu kaufen – sehr zum Bedauern von Kurt Fawer, der sich seit Jahren für die Liegenschaft einsetzt.

Was bereits im Winter diskutiert wurde, hat nun die Gemeinde Egg bestätigt: Sie erwarb das Grundstück Ober Halden in Hinteregg vom Kanton Zürich. Seit über drei Jahren sei die Gemeinde mit den kantonalen Stellen in Kontakt, damit die baufälligen Liegenschaften entweder einer neuen Nutzung zugeführt oder aber abgerissen werden können. «Die Gebäude an der Ober Halden 10, 11 und 12 stellen nebst dem unschönen Äusseren auch ein Sicherheitsrisiko dar», sagt Tobias Zerobin, Gemeindeschreiber von Egg.

Gebäude nicht schützenswert

Durch einen sogenannten Rückbau tragen der Kanton Zürich und die Gemeinde Egg laut einer Mitteilung dazu bei, dass diese baufälligen und sicherheitskritischen Gebäude aus dem Landschaftsbild verschwinden. Diese könnten nur mit «unverhältnismässig grossem finanziellem Aufwand» überhaupt nutzbar gemacht werden. Zu diesem Schluss kommt laut Gemeinde auch ein denkmalpflegerisches Gutachten, das die Gebäude als nicht schützenswert einstuft. Diese waren als ehemalige psychiatrische Klinik zwar einst Teil des kommunalen Inventars für schutzwürdige Bauten, wurden aber im September 2012 daraus entlassen.

Kurt Fawer, dem die Gärtnerei auf der gegenüberliegenden Strassenseite gehört, war über die damalige Entlassung entrüstet. Er verpasste jedoch die Rekursfrist und konnte die Entlassung nicht verhindern. Trotzdem setzte er sich weiter dafür ein, dass die Gebäude für einen sozialen Zweck weiter genutzt und bestehen bleiben können – zum Beispiel als Alters- oder Pflegeheim. Fawer vermietet bereits Räumlichkeiten neben der Gärtnerei an der Ober Halden 5 an die Sozialwerke Pfarrer Sieber, die darin ein Fachspital mit zwölf Betten betreiben (wir berichteten). Nun fühlt er sich dadurch hintergangen, dass sich die Gemeinde nun, nach jahrelangem Hin und Her, für den Kauf des Grundstücks entschieden hat. Er habe mit dem Kanton im letzten Sommer einen Terminplan ausgearbeitet: Fawer sollte ein Baugesuch einreichen und danach das Grundstück im Baurecht mit Laufzeit bis 2045 übernehmen. Bis zum 1. Juli dieses Jahres müsse es im Grundbuch eingetragen werden. Darauf, dass die Gemeinde jederzeit von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen könne, machte der Kanton Fawer in einem Schreiben allerdings ebenfalls aufmerksam. Dieses nutzte die Gemeinde im vergangenen November, wie das Immobilienamt der Baudirektion Kurt Fawer in einer Mitteilung im November bestätigte.

Zwei Monate Fristerstreckung

Doch Fawer liess nicht locker und bestand auf einer Aussprache mit Vertretern der Gemeinde Egg – unter ihnen auch Gemeindepräsident Rolf Rothenhofer (parteilos). Dieses fand am 2. Februar statt. Begleitet wurde Fawer dabei von Sergio Oesch, Vertreter der Ortspartei Pro Egg, der ihn in seinem Bestreben unterstützte. Das Ergebnis des Gesprächs war eine Fristerstreckung für Fawer zur Einreichung eines baurechtlichen Vorentscheids, einer Zustimmungserklärung des heutigen Eigentümers für die Abgabe des Grundstücks, eines verbindliches Nutzungskonzepts und einer verbindliche Finanzierung mit Zeitplan für die Realisierung der neuen Nutzung – bis zum 31. März. Sollten diese Unterlagen nicht innert Frist vorliegen, werde der Gemeinderat den Kauf umgehend vollziehen. «Diese Frist konnte ich unmöglich einhalten », sagt Fawer. «Ich war zum Scheitern verurteilt.» Die nötigen Unterlagen konnte er dann auch nicht auftreiben. Am 10. April informierte ihn die Gemeinde Egg, der Kauf des Grundstücks sei vollzogen worden. «Da Herr Fawer bereits seit Jahren im Kontakt mit dem Kanton steht, ist es aus unserer Sicht auch möglich, dass die Unterlagen innert der gesetzten Frist eingereicht werden könnten», sagt Tobias Zerobin auf Anfrage.

Durchgangszentrum bleibt

Der Gemeinderat hat das Grundstück, das in der Landwirtschaftszone liegt, ohne die Gebäude per 9. April erworben. Diese werden durch den Kanton abgerissen. Nebst dem Kaufpreis von 8850 Franken, was 6 Franken pro Quadratmeter entspricht, beteiligt sich die Gemeinde mit pauschal 150 000 Franken an den Rückbaukosten, welche rund 500 000 Franken betragen. Die Summe von 150 000 Franken liegt dabei im Rahmen des Betrags, über den die Gemeinde ohne Abstimmung verfügen kann. Dem Abriss der Liegenschaften steht somit nichts mehr im Weg. «Die Abbruchbewilligung ist immer noch gültig», sagt Thomas Maag, Mediensprecher der Baudirektion des Kantons. «Gegenwärtig erarbeitet das Hochbauamt die Planung für die Arbeiten.» Diese sollen bis im Herbst abgeschlossen sein. Das angrenzende Grundstück, auf dem der Kanton Zürich ein Durchgangszentrum für Asylsuchende betreibt, ist vom Geschäft nicht betroffen und bleibt nach wie vor im Besitz des Kantons.

Dass die Gemeinde ein Vorkaufsrecht habe, akzeptiere Fawer. «Aber der Kanton war an einer weiteren Nutzung der Liegenschaft für soziale Zwecke interessiert », sagt er. Warum die Gemeinde sich gegen eine soziale Institution stelle, könne er nicht verstehen. Warum die Gemeinde das Grundstück nun selber erworben habe, liege für ihn hingegen auf der Hand. «Sie will Sozialtourismus verhindern und dadurch Steuergelder einsparen. » Tobias Zerobin bestreitet dies. «Der Kauf hat nichts mit Angst vor Sozialtourismus zu tun.» Es gehe dem Gemeinderat allein darum, den «Schandfleck » zu beseitigen, den die baufälligen Gebäude darstellen. Laut Gesetz darf die Gemeinde das Land nun für 20 Jahre nicht weiterverkaufen. «Es wird als strategische Landreserve im Besitz der Gemeinde bleiben», sagt Zerobin.

Kurt Fawer wäre bereit, für seine Überzeugungen weiterzukämpfen. Laut Tobias Zerobin ein fruchtloses Unterfangen. «Der Kauf ist vollzogen.»