, regio.ch, Raphael Brunner

Gegen den Kulturverlust im Dorf - Egger gründen Buchhandlung

Die einzige Buchhandlung im Dorf schliesst, deshalb gründen über 50 Egger gemeinsam eine neue - als Genossenschaft.

Für Kurt P­fister und Marianne Beutler war die Nachricht ein Schock. Und nicht nur für sie: Die Buchhandlung Pfannenstil in Egg macht nach 20 Jahren zu. Am 15. Juli ist Schluss (wir berichteten). «Wieder verliert unser Dorf ein Detailhandelsgeschäft – und mit ihm ein Stück Kultur», sagt Beutler.

Doch die Betroffenheit währte nur kurz: «Dann müssen wir Egger eben selber etwas auf die Beine stellen», sagte sich das literaturbegeisterte Paar und machte sich ans Werk. Nach nur wenigen Wochen hatten die beiden ehemaligen Unternehmer eine Marktanalyse durchgeführt und einen Finanzplan erstellt. Die Idee: Die neue Buchhandlung soll als Genossenschaft organisiert sein, getragen von Eggerinnnen und Eggern. «Das Interesse war überraschend gross», sagt P­fister.

Diesen Montag war bereits die Gründerversammlung. Über 50 Dorfbewohner haben Anteilscheine gezeichnet. Im Oktober soll die neue Buchhandlung eröffnen – als erste ihrer Art in der Region, die ihren eigenen Kunden gehört.


«Das klappt»

Kleine Buchhandlungen haben es schwer – in jüngster Zeit aber findet eine Trendumkehr statt. In Egg sorgen Egger nun selber dafür, dass es in ihrem Dorf weiterhin einen Laden für Literatur gibt. Ein Beispiel, das Schule machen könnte.

Der Gründergeist hat Kurt Pfister erfasst. «Die ganze Entwicklung ist sehr ermutigend», sagt der pensionierte Egger. Gemeinsam mit bisher über 50 Gleichgesinnten ist er seit neuem Besitzer einer Buchhandlung. «Und wir werden hoffentlich noch mehr», sagt er. Am Montagabend gründeten er und seine Mitstreiter die Genossenschaft Buchzeichen Egg. Ihr Ziel: Dass es im Dorf weiterhin eine Buchhandlung gibt, wenn die Buchhandlung Pfannenstil nächste Woche schliesst.

Expertenmeinung eingeholt

Kurt Pfister und seine Frau Marianne Beutler sind die Köpfe hinter dem Vorhaben. Beide waren treue Kunden der Buchhandlung Pfannenstil. «Als wir von der geplanten Schliessung hörten, wollten wir uns damit nicht abfinden», erzählt Beutler, die früher als Unternehmerin tätig war. Schnell fanden sie und ihr Mann heraus: Während die Besitzerin der Buchhandlung Pfannenstil sich über den Rückzug ins Rentnerdasein freut (wir berichteten) würden die Angestellten gerne weitermachen. Allerdings sahen sie sich nicht in der Lage, das unternehmerische Risiko zu tragen.

Beutler und Pfister nahmen sich deshalb selbst der Sache an. Sie suchten das Gespräch mit Branchenexperten und führten eine Marktanalyse durch. Das Ergebnis: Am richtigen Standort hat eine kleine, innovative Buchhandlung durchaus eine Chance.

Perfekter Standort

Die beiden Egger machten sich sofort ans Werk. Kurzerhand kauften sie das Ladenlokal an der Mönchaltorferstrasse, wo bis vor Kurzem die Papeterie Müller ein Geschäft führte. «Direkt gegenüber der neuen Migros-Filiale ist der Standort ideal», sagt Pfister. Die Räumlichkeiten werden er und Beutler zu einem fairen Preis an die künftige Buchhandlung vermieten. Mit diesen Vorleistungen im Gepäck lud das Ehepaar dann die Bevölkerung ein, der Genossenschaft beizutreten. «Die Idee ist, dass wir Egger uns gemeinsam einen Laden schaffen, der zu einem vielfältigen Dorfleben beiträgt», sagt Beutler.

Pfannenstil-Mitarbeiter dabei

Von der Ressonanz waren sie und ihr Mann selbst überrascht. Zwar ist erst die Hälfte des Betrags von 120'000.- Franken beieinander, der als Anfangskapital für den neuen Buchladen notwendig ist. «Wir sind aber sicher, dass es klappt», sagt Beutler. Schliesslich dauere die Aktion erst zwei Wochen.

Vorgesehen ist, dass eine Geschäftsleitungsgruppe der Genossenschaft die operative Führung der neuen Buchhandlung übernimmt. Die Genossenschaft bezahlt auch die Löhne der Angestellten. Präsident der Genossenschaft wird Andreas Gantenbein sein, ein ehemaliger Lehrer und Schulleiter aus Hinteregg. Den Laden führen dann die gleichen Mitarbeiterinnen, die bisher in der Buchhandlung Pfannenstil tätig waren, ergänzt durch eine zusätzliche Buchhändlerin. «Sie stehen alle hinter dem Projekt und freuen sich, dass sie weiter in ihrem Beruf arbeiten können», sagt Pfister.

Slow- und Fast-Book

Der frühere Chef eines Pharma- Beratungsunternehmens weiss genau, wie die künftige Buchhandlung aussehen soll. «Wir planen eine Dorfbuchhandlung mit einer breiten Auswahl an Belletrisitk, aber auch an Sach- Kinder- und Jugendbüchern», sagt er. Vorgesehen ist weiter eine gemütliche Leseecke. «Die Leute können bei einer Tasse Kaffee in den Büchern schmöckern und sich persönlich beraten lassen.» Und wenn eine Bestellung bis 17 Uhr eintrifft, liegt das Buch am nächsten Morgen auf dem Ladenschtisch. «Unsere Buchhandlung wird also Slow-Book und Fast-Book vereinen», sagt Pfister im besten Unternehmerjargon.

Wer ebenfalls Mitglied der Genossenschaft Buchzeichen Egg werden will, kann sich informieren bei Kurt Pfister und Marianne Beutler, +41 44 994 75 61 oder per E-Mail an kurt.pfister@bluewin.ch oder marianne.beutler@bluewin.ch.

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